stattkunst
Den Passanten der Donaulände zwischen der Eisernen Brücke und dem Österreicher-Stadel (und Besuchern die per Schiff vorbeikommen) fällt die großzügige Treppenanlage die zum neuen Museum für Bayerische Geschichte hinaufführt ins Auge. Eine Beleuchtung hebt die Treppenanlage hervor, ein Licht das durch seine Intensität auch am Tag wahrnehmbar ist. Beim Näherkommen werden einzelne leuchtende Linien bemerkbar, hauptsächlich in neutralem Weiß, doch unter den neutralen Lichtlinien sind einige blaue sichtbar, besonders ein roter Streifen fällt auf. Die Anordnung scheint keinem System zu gehorchen, sondern eher der verborgenen Logik eines Strichcodes zu folgen.
Am Treppenaufgang angekommen werden Details sichtbar: Jede der leuchtenden Zeilen läuft parallel zu den Setzstufen der Treppe, ähnlich einer Stufenbeleuchtung im Kino, doch hier setzt sich die waagrechte Schraffur an den Treppenwangen fort und bildet auch an der Ufermauer über die Breite der beiden flankierenden Geländerpodeste eine symmetrische, fast herrschaftlich anmutende, Einfassung der Treppenanlage. An den beiden Treppenwangen ist einigen der Lichtzeilen ein Text aus Lichtpunkten zugeordnet: Der Schlüssel zum Code?
Jahreszahlen stehen über den blauen und auch über der roten Linie. Die Jahreszahl über der roten Linie ist die jüngste. Jetzt wird langsam klar: Es handelt sich um Pegelangaben des Donauhochwassers wie sie vereinzelt in Altstadtbereichen an manchen Gebäuden zu sehen sind, das letzte und höchste war ja erst im vergangenen Jahr 2013. Wie nahe diese Linie bereits dem Niveau des Museums und der restlichen Altstadtbebauung kommt!
Hier wird Geschichte erlebbar, die Geschichte der oftmals menschengemachten bayerischen Donau-Hochwässer der vergangenen Jahrzehnte am Pegel Eiserne Brücke. Eine Historie von den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts bis in die Gegenwart. Und es wird auf unbehagliche Weise Zukunft spürbar: Wie wird es weitergehen? Wird die bisherige rote Linie überschritten, und durch eine noch höhere Marke ersetzt werden müssen? Was hat unser tägliches Leben mit dieser Gefahr zu tun? Die scheinbar herrschaftlich-selbstzufriedene Geste der Treppen-Beleuchtung kippt zum Menetekel: Subtil und unaufgeregt bildet sie Naturgewalt ab und stellt damit die stolze Gewissheit der Architektur in Frage.
Der Rhythmus der Hochwassersituationen wird adaptiert, sobald ein neuer Hochwasserfall im Niveaubereich von Pegel Donaumarkt eintritt, ändert sich die Anzeigesituation. Die Geschichte wird langfristig fortgeschrieben. Technik In Fugen der Naturstein-Böschungsmauer und der Setzstufen sind in Kunststoff vergossene LED-Lichtbänder flächenbündig und druckwasserdicht (IP 67) eingesetzt. Durch RGB-Technik lassen sich die Linien einzeln zu den Zielfarben hin ansteuern. Die Ansteuerung erfolgt mittels eines DMX-Steuerkabels. Durch die hohe Leuchtkraft und die Nordausrichtung der Treppenanlage sind die LED-Streifen auch tagsüber gut wahrnehmbar. Die Linien funktionieren auch im Hochwasserfall. Über einen simples Schaltdisplay kann die Anlage einfach auf die neue Situation aktualisiert werden sobald ein Hochwasserfall eintritt, der eine neue rote Linie erzeugt. Die Patenschaft über diese interaktiven Pegelanzeige und die Updates könnte sinnvollerweise in die Hände der Museumsverwaltung gelegt werden: Bayerische Geschichte als Live-Version.
Die Regeln für die Hochwasserlinien lauten:
• Datengrundlage
ist der Pegelstand Eiserne Brücke des Wasserwirtschaftsamts
Bayern. Relevant sind die Pegelstände zwischen 330,60
und 334,40 m über NN, also von der untersten Stufe bis zur Oberkante Brüstung
der Ufermauer
• Durch die Treppenauftrittshöhe von 15 cm ergibt sich eine
Auflösung der Hochwasserlinien von ebenfalls 15 cm
• Die exakten Wasserstände
werden diesem Raster annäherungsweise zugeordnet. Es ergibt sich dadurch
eine maximale Ungenauigkeit der Hochwassermarken von 7,5 cm, also kleiner
als ein Wellenschlag
• Pegelstände die in den Einzugsbereich der Lichtskulptur
Pegel Donaumarkt reichen, werden farbig abgebildet
Das Orangerot steht als Warn- und Hervorhebungsfarbe für die jeweils jüngste Hochwassermarke, z. Zt. ist diese dem Jahr 2013 zugeordnet. Findet ein weiteres Hochwasser im Einzugsbereich von Pegel Donaumarkt statt, wird diese Höhenlinie orangerot angezeigt. Die orangerote Linie ist nicht zwingend die höchste der farbigen Hochwassermarken. Bezeichnenderweise ist jedoch eine steigende Tendenz mit nur einer Ausnahme an den Pegelständen ablesbar. Die cyan- bzw. hellblauen Linien bilden historische Hochwasserstände ab, also alle die in den Einzugsbereich von Pegel Donaumarkt reichen bis in die 70er Jahre zurück reichend, mit Ausnahme der jüngsten, die ja orangerot abgebildet wird. Die weißen Linien stellen Hochwasserpotentiale dar, im unteren Bereich durchaus wahrscheinliche, im oberen Bereich eher fiktive.
Sobald ein neuer Hochwasserstand eine weiße Linie erreicht hat, wird diese orangerot angezeigt mit der entsprechenden Jahreszahl. Die bisher orangerote Linie wird zu hellblau umgeschaltet. Trifft ein neuer Hochwasserstand auf eine hellblaue Linie, färbt sich diese orangerot, die Jahreszahl wird aktualisiert. Trifft ein Hochwasserstand auf eine orangerote Linie wird nur die Jahreszahl aktualisiert. Die Jahreszahlen werden in eigenen hinterleuchteten Kästen passend zur zugeordneten Linienfarbe orangerot oder hellblau angezeigt. An den weißen Linien befinden sich ebenfalls Lichtkästen für potentielle Jahreszahlen, diese werden analog weiß beleuchtet, jedoch mit einer gepunkteten Grundline als Platzhalter für Jahreszahlen versehen.
Kunstwettbewerb Donaumarkt Regensburg (engere Auswahl, 2. Rang der Jurywertung)
Ort: Freitreppe im Bereich des geplanten Museums für Bayerische Geschichte, Regensburg, 2014
Wettbewerbsdokumentation des Ausschreibers als PDF
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