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Entspannung im Foyer der Friedrich-Alexander Universität Erlangen-Nürnberg, Fachbereich Wirtschaft und Soziales: Taktile Reize, die sich durch die Benutzung der jeweiligen Entspannungslehnen gegenseitig ändern und beeinflussen. Ein Marktplatz der Gefühle, Wirtschaft und Soziales.

Kunstwettbewerb WISO, FAU-Erlangen-Nürnberg, 2004

 

Erscheinung und Funktionsweise

Acht lehnenartige, rundum gummibespannte Winkel (Schenkellänge 0,35 m x 2,05 m, Breite 0,70 m, Neigung 15 verteilen sich im Foyer des WiSo-Neubaus, fünf davon im Erdgeschoss, drei im Untergeschoss. Diese Stand-Orte oder Terminals sind begehbar und laden zum entspannten Lehnen ein. Ein Zustand der etwas Gewicht von den Beinen nimmt, und zur Kontemplation auffordert, jedoch nicht wie beim Liegen eine verminderte Präsenz im Raum ergibt und somit der Atmosphäre eines Foyers angemessen ist.

Die Terminals erwachen beim Begehen zum Leben und vermitteln der lehnenden Person haptische Reize, die von den Sohlen bis zu den Schultern reichen können. Die Reize bestehen aus unterschiedlichen Impulsen, die von elektromagnetischen Geräten (sog. Bass-Kickern) ausgelöst werden. Von diesen lautsprecherartigen Geräten sind insgesamt zwölf in der Fuss- und der Rückenfläche eines Terminals verteilt. Sie können einzeln über die Zeit hin angesteuert werden, so dass verschiedenartigste Pattern von Intensität, Rhythmus, und Körperstelle kombiniert werden können. So ist z. B. ein Kribbeln von den Sohlen bis hin zum Oberkörper wandernd realisierbar, oder ein Pochen im Zickzack von der linken Körperhälfte zur rechten. Diese haptischen Impulse sind nur in unmittelbarer Umgebung leise zu hören, der Schwerpunkt der Wahrnehmung liegt eindeutig beim Fühlen.

Die Terminals bieten also ein ein weites Potential an Bewegungsmustern. Sie sind mit einem Berührungssensor ausgestattet, der erkennt, wenn sich eine Person an sie lehnt. Ein mit allen Terminals vernetzter Rechner weist jedem der Winkel ein bestimmtes haptisches Pattern zu, das sich von allen anderen Bewegungsmustern unterscheidet. Sobald nun eine zweite Person ein anderes Terminal betritt, modifiziert diese das Bewegungsmuster des ersten Stand-Orts, sie selbst wird ein anderes Pattern spüren, wenn eine dritte Person eines der Terminals nutzt. Es entsteht eine Art von Kommunikation der Körper. Ob das jeweilige Pattern dann als besonders angenehm oder eher unangenehm empfunden wird, bleibt offen. Die Bewegungsmuster sind jedoch reproduzierbar, so dass eine bestimmte Kombination von Nutzern, immer das gleiche Pattern am jeweiligen Terminal hervorruft. So lassen sich mit der Zeit Lieblingspattern erforschen und durch gezieltes gemeinsames Benutzen der Terminals reproduzieren. Andererseits kann ein weniger ansprechendes Bewegungsmuster zum Verlassen oder Austausch des Standorts auffordern.

Ortsspezifikum

Ein System von Angebot und Nachfrage, also ein komplexes Marktgeschehen entsteht. Dieses System ist jedoch nicht immer von vornherein durchsichtig, da die im Untergeschoss befindlichen Terminals keinen Sichtkontakt zu den oberen Standorten zulassen. Um völlige Kontrolle über die Systematik dieses Marktes zu erlangen bräuchte es objektive Beobachter, die die jeweilige Nutzung aller Terminals z. b. von der Brücke aus überblicken bzw. signalisieren können. Vordergründig entsteht dabei ein reizvolles Angebot an nötiger Entspannung und Spass von Studierenden, Lehrpersonal und Angestellten im Uni-Alltag, mit einer mehr extrovertierten Komponente im EG, mehr introvertiert im UG. Dieses Instant-Massage-Angebot kann dabei zur Leistungssteigerung bei den Nutzern beitragen.

Skulptural gesehen, bilden die Terminals einen Sockel für die jeweilige Figur, die originär aus dem Uni-Alltag gemeisselt scheint.

Technik und Betriebssicherheit

Die Winkel sind mit einer strapazierfähigen, 10-15 mm dicken Gummihaut überzogen, die ohne Probleme mit Schuhen betreten werden kann. Der Gummi dient dabei sowohl als dauerhafter Oberflächenschutz, als auch zur Übertragung des Körperschalls der "Lautsprecher". Die Oberfläche lässt sich problemlos feucht oder auch nass reinigen. Das jeweilige Terminal ist über konische Bolzen mit entsprechenden Aufnahmen im Boden verbunden. Diese lassen sich mit zwei Schrauben problemlos entriegeln. So können die Winkel bei Bedarf für bestimmte Veranstaltungen im Foyer, oder für eine Grundreinigung des Bodens leicht entfernt werden. Die Aufnahmen der Bolzen werden dann mit einer Verschlusskappe bodenbündig geschlossen. Das Entfernen sollte zur Flexibilität der Raumnutzung dienen, jedoch die Ausnahme bleiben.

Die Installation erfordert die Verlegung von fünf Strängen von 26-Adrigen Steuerleitungen in der Decke des EG und entsprechend von drei Strängen (vermutlich Aufputz unter der Decke) im UG, hin zu einem Technikraum in dem die benötigten Steuergeräte (Computer und Impulsgeber) geschützt aufgestellt werden können. Da das System kaum mechanisch anfällige Bauteile beinhaltet, kann von einem weitgehend wartungsfreien Betrieb ausgegangen werden. (...)

aus: Wettbewerbsbroschüre des Autors

Broschüre als PDF downloaden

 

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