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LED-Schriftdisplays als Schüler- Lehrer- und Internet-Wandzeitung.

Kunstwettbewerb Realschule Zirndorf, 2002 in Zusammenarbeit mit Johannes Volkmann

Situationsanalyse

Schule bedeutet das Aufeinandertreffen völlig unterschiedlicher Welten. Es gibt die Welt der Schüler die, je nach Alterstufe und Geschlecht, in viele kleine Unterwelten aufgeteilt ist. Dann gibt es die Welt der Lehrer, diese scheint homogener zu sein, ist aber von den Schülerwelten oft Lichtjahre entfernt. Und nicht zuletzt gibt es die Welt, auf die die Schule vorbereiten, soll, das sogenannte Leben, für das ja eigentlich gelernt werden soll. Die Aufregung um die Pisa-Studie hat gezeigt, dass dies nicht immer gelingt, dass die drei Welten zu wenig Schnittmengen bilden. Mit unserem Vorschlag versuchen wir Äusserungen aus den drei Welten gleichberechtigt und benutzergesteuert auf eine Ebene zu projizieren, auf die Pinnwand.

Dabei unterstützen wir die Architektur, deren Motiv ein ähnliches ist: Der fliessende Übergang von Innen und Aussen, der auch gerade an dieser verwendeten roten Betonwand ablesbar ist.

Mittel

Wie Notizzettel verstreut aber doch einer gewissen Struktur folgend, sind 15 LED-Schriftkästen (ca. 170 x 18 x 8 cm) in drei Fünfer-Gruppen über die rote Betonfläche verteilt. Die Displays erstrecken sich über den Hallenbereich hinaus bis fast an die Gebäudeecke im Aussenbereich. Sie lassen sich fortlaufend horizontal lesen, aber auch vertikal, was völlig neue Sinn-Zusammenhänge erschliesst. Die obengenannten drei Welten sind über die drei Stockwerke des Gebäudes aufgeteilt. Das Erdge- schoss wird von den Schülern mit roten Displays bespielt, das 1.OG von den Lehrern mit blauen LED ́s und im 2.OG bildet sich textlich die Aussenwelt in Grün ab. Es werden die Farben der additiven Lichtmischung verwendet, aus denen jeder TV-und Computermonitor seine Farben bildet.

Funktion

Die Texte auf diesen Displays werden von den drei Gruppen autonom an jeweils einem Computerter- minal über eine Eingabemaske eingegeben. Sie erscheinen dann sofort auf den Displays. Jede der beteiligten drei Gruppen entscheidet autonom über die Inhalte der Pinnwand. Pro Stockwerk sind in einer Zeile (5 Displays) ca. 150 Zeichen darstellbar, ist der Text länger, werden die ersten 150 Zeichen nach ca. 30 sec. ausgeblendet und die nächsten 150 Zeichen eingeblendet, usw. Es wird also kein für die LED-Technik üblicher Lauftext verwendet, sondern ein relativ statisches Auswechseln von Satzteilen vorgenommen. Alle Texte werden mit dem jeweiligen Autor gekennzeichnet.

Schüler

Die Schülereingaben werden über einen Zettelkasten an die SMV / Schülerzeitungsredaktion eingereicht. Dort werden die Beiträge, die sich für die Veröffentlichung eignen ausgewählt (Äusserungen unter der Gürtellinie werden ausgefiltert) und einmal wöchentlich in den bereitgestellten Computer eingegeben. Es können beliebig viele Notizen eingegeben werden, die dann am Display abwechselnd gezeigt werden. Werden keine neuen Texte eingegeben, bleiben die älteren Texte präsent. Für die Auswahl und Eingabe der Texte ist ein mindestens wöchentlicher Zeitaufwand von ca. 5-30 min. nötig. Diese Arbeit kann als Online-Redaktion der Schülerzeitung verstanden, und von deren Personal geleistet werden. Inhaltlich vorstellbar ist Alles – von der Kleinanzeige über Grüsse, Wünsche, Kritik oder Anregungen zum Schulbetrieb, Veranstaltungen der SMV, Höhen und Tiefen des Schüleralltags usw.

Lehrer

Die Lehrereingaben erfolgen direkt über einen bereitgestellten Computer in einem geeigneten Raum, z.B. Lehrerzimmer. Eine Auswahl oder Redaktion der Beiträge erscheint uns dabei weniger notwendig als bei den Schülern. Miteingeschlossen ist an diesem Terminal die Beteiligung von Schulverwaltung und dem Hausmeisterehepaar. Inhaltlich gibt es ebensowenig Grenzen wie bei den Schülern (mit der gleichen Einschränkung, keine verletzenden oder beleidigenden Äusserungen zu machen). Vorstellbar sind Veranstaltungshinweise, Kommentare, Ermahnungen, Lob, Wünsche, aber auch Zitate oder Lyrik und Kurzprosa, usw.

Aussenwelt

Diese wird repräsentiert über eine Auswahl von Kurztexten die den Online-Redaktionen der grossen deutschen Zeitungen entnommen sind: FAZ, Süddeutsche Zeitung, Die Zeit, Ausserdem wird Online-Textmaterial der lokalen Zeitung verwendet (Infonet Nordbayern) Es wird immer der erste (oberste) Text der Feuilleton-Abteilung verwendet. Eine Koopera- tionsbereitschaft der jeweiligen Redaktionen wird dabei vorausgesetzt. Dabei darf durchaus die Frage nach der angemessenen Repräsentanz des „echten Lebens” gestellt werden, Da diese Frage heute nicht pauschal beantwortet werden kann, führt sie auto- matisch zum eingenen, subjektiven Lebensentwurf, zur persönlichen Erwartung an das Leben – bis hin zur seit den 68ern relevanten Frage ob es ein richtiges Leben im falschen geben könne.

Technisch erfolgt die Eingabe über einen Onlinezugriff auf einen der zwei in der Schule installierten Rechner seitens der Autoren, die wöchentlich die Texte ein- kopieren, solange kein verlässlicher automatischer Modus besteht.

Fazit

Mit dem Zusammentreffen dieser Einzel-Welten auf der Pinnwand (letztlich ist jede der Textäusserungen ein Mini-Kosmos für sich) gibt die Realschule Zirndorf ein zukunftsfähiges Bild von sich und ihrer Vorstellung vom Leben draussen ab: weltoffen, partnerschaftlich, transparent, aktuell, flexibel, kommunikativ, selbstkritisch, selbstbewusst.

aus: (Wettbewerbsbroschüre der Autoren)

 

Hinweis:

Dieser Vorschlag aus dem Jahr 2002 wurde durch einen Hinweis der Schuldirektion auf das damals bestehende Schülerzeitungsgesetz in Bayern torpediert: Das Gesetz schreibe zwingend eine Kontrolle (Zensur) der Schülertexte vor, deshalb müsse auch hier seitens der Lehrerschaft eine Kontrolle der Inhalte auf den LED-Strips stattfinden. Da dieses die Autoren jedoch ablehnen, sei dieses Kunstwerk nicht realisierbar.

Ironie der Geschichte: Zwei Jahre später wurde in Bayern die gesetzliche Grundlage für Schülerzeitungen geändert:

"Der Bayerische Landtag hat Ende 2004 eine entsprechende Änderung im Bayerischen Erziehungs- und Unterrichtsgesetz angeregt, die im Juli 2006 in Kraft getreten ist. Somit ist in Bayern die Vorzensur von Schülerzeitungen als letztem Bundesland gefallen. Allerdings zeigte eine Studie der Jungen Presse Bayern (Autor: Dominik Mai) im Jahr 2012, dass Zensur von Schülerzeitungen nach wie vor stattfindet. 37 Prozent der bayerischen Schülerzeitungen sieht sich demnach Druck der Schule ausgesetzt, rund ein Viertel hat bereits auf die Publikation von Artikeln verzichtet. Auch haben Schulleitungen (12 Prozent) und Vertrauenslehrer (16 Prozent) Artikel verhindert. 2 Prozent der Schülerzeitungen seien komplett zensiert worden."

aus: Wikipedia > Schülerzeitung

 

Broschüre als PDF downloaden

 

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